Manchmal liegt Freude und Leid so nah beieinander. Frau K. hält ihren Sohn Merveilles im Arm, ein paar Wochen bevor sie starb. An diesem Tag wusste sie bereits, dass sie sterben würde. Alle wussten es. Als ihr Hirntumor festgestellt wurde, rieten die Ärzte in Kamerun ihr zu einer Chemotherapie. Sie entschied sich dagegen. Der Grund dafür war Merveilles, dessen Name auf Deutsch „Wunder“ bedeutet. Er sollte die Chance auf ein Leben haben. Dafür gab seine Mutter ihr eigenes und verzichtete auf ihre Heilung, die den Tod für ihr ungeborenes Baby bedeutet hätte. Sein errechneter Geburtstermin war der 24.Dezember, für Frau K. ein Zeichen des Himmels. Sie konnte ihn nicht abtreiben – Merveilles sollte leben. So blieb ihre eigene Behandlung aus. Es macht dich schon sprachlos, wie stark die Verbindung zwischen zwei Menschen sein kann. Wie bedingungslos und wie stark Liebe sein kann. Dafür findest du kaum Worte. Sie hatte die Wahl und traf eine Entscheidung. In der Hoffnung auf Hilfe stieg Fau K. in ein Flugzeug nach Deutschland. In Frankfurt wurde sie vom Zoll aufgegriffen. Die Beamten sahen, wie schlecht es ihr ging. Sie schickten sie nicht zurück sondern brachten sie ins Krankenhaus. Die Ärzte holten den kleinen Merveilles am 30.10. letzten Jahres per Kaiserschnitt. Ein kleines Wunder, das gerade mal 1000g wog. Für Frau K. war es jedoch zu spät, ihre Behandlung nach der Geburt von Merveilles bleibt ohne Erfolg. Der Tumor war einfach zu stark. Sie hatte das Leben ihres Babys gerettet, doch sie würde es nicht aufwachsen sehen.
Merveilles Taufe im Hospiz war ein wunderbarer Tag. Ein Tag, an dem gelacht und geweint wurde. Es ist in jeder Form überwältigend, dass die Gefühle der Freude und des Abschieds sich so nah sein können. Wir haben Kuchen gegessen und gesungen. Seine Mama war eine mutige Frau, eine wunderbare Mutter, die ihr Kind um jeden Preis schützen wollte. Welch ein Segen, dass sie an diesem Tag noch da sein und ihren Sohn im Arm halten konnte. Sie war so stolz auf ihren Jungen. Wenn sie auch so gerne einmal seine Hochzeit und die Hochzeit seiner Schwester miterlebt hätte. Sie weinte und lachte. Sie saß in ihrem Rollstuhl und streckte die Arme nach Merveilles aus und dir fehlen die Worte, dieses Gefühl zu beschreiben. Diese Geschichte hat mich zutiefst berührt und ich wollte, dass Merveilles einmal eine Erinnerung an diesen Tag hat. An seine Mama. An ihre Stärke und ihren Mut. Deswegen begleitete ich diesen Tag. Weil auch solche Geschichten zum Leben gehören. Als ich auf dem Rückweg im Auto saß, kullerte eine Träne nach der anderen. Es war unglaublich, wie das Leben gleichzeitig pulsiert und doch so gnadenlos sein kann.
Kurz danach verstarb Frau K. und hinterließ bei mir ein Gefühl der bedingungslosen Liebe. Einer mutigen Liebe. Einer Liebe, die keine Grenzen kennt. In Ihrem Sohn lebt ihr Wesen weiter. In ewiger Erinnerung an einen Menschen, der aus Liebe sein Leben gab. Merveilles lebt nun bei seinem Papa und seiner Schwester in Kamerun.