Tränen der Freude

Ich möchte euch unbedingt eine Geschichte zu diesem Bild erzählen, die mich wirklich berührt hat. Es ist keine Geschichte der Trauer sondern der Freude. Einer solchen Freude, dass sie einen Mensch zum Weinen brachte. Am Sonntag veranstalteten wir ein Tanzcafè für Senioren, weil es den Pflegedienst meiner Mama nun schon 20 Jahre gibt und wir den Senioren einfach etwas Gutes tun wollten. Es sind so viele liebe Menschen da gewesen, viele von ihnen mit schweren Gebrechen, mit ihrem Rollator oder im Rollstuhl. Manche recht wackelig auf den Beinen. Und trotzdem sind sie gekommen. Viele von ihnen tanzten sogar. Für diesen Nachmittag sollten sie das Päckchen vergessen das sie zu tragen haben. Um einfach mal wieder unbeschwert zu sein.

Einer von ihnen hat mich auf besondere Weise berührt. Als er in seinem Rollstuhl in den Raum fuhr fing er bitterlich an zu weinen. Er weinte, weil ihn die Freude über diesen Moment überkam. Er weinte nicht weil er traurig war, nein, er war glücklich. Überglücklich. So etwas Schönes habe er schon so lange nicht mehr erleben dürfen, sagte er mir. Mich überkam eine Gänsehaut und sofort schossen auch mir die Tränen in die Augen, als er meine Hand hielt und ich in seinen glasigen Augen das pure Glück erkennen konnte. Schon viele Jahre habe er das Haus nicht mehr verlassen um etwas Schönes mit anderen Menschen zu unternehmen. Dass er etwas so Schönes wie dieses Fest miterleben durfte war für ihn etwas ganz Besonderes. Seine Tränen konnte er auch im Laufe des Nachmittags nicht mehr aufhalten. Zu stark war das Gefühl der Überwältigung über diesen Moment der Freude. Einfach tanzen, als bräuchte man diesen Rollstuhl überhaupt nicht. Immer wenn jemand ihn an die Hand nahm und sich auf der Tanzfläche mit ihm im Kreis drehte, überkamen die Tränen des Glücks und der Rührung ihn. Wenn dir das Leben  nach so langer Zeit mal wieder eine Tür öffnet, dann fühlt sich das manchmal so unglaublich an, dass du nichts tun kannst als das Glück in dir aufzusaugen. Die Augen zu schließen und im Moment zu verweilen. Und wenn es nur eine Sekunde ist, in der du vergisst, was dich quält. Sie wird zu einem der kostbarsten Augenblicke für dein Herz. Dass etwas, das für uns so gewöhnlich scheint für ihn so bedeutsam war, ließ mich eines erkennen: Die kleinsten Dinge die du tust können für einen anderen Menschen die Welt bedeuten. Wir brauchen kein Geld um für einen anderen Menschen da zu sein. Es gibt immer jemanden, der einfach froh ist, dass du da bist. Es ist nicht wichtig, was wir tun sondern wie wir uns dabei fühlen. Das Glück eines anderen kann zu unserem eigenen Glück werden. Und manchmal, ja manchmal brauchen wir alle einfach jemanden, der uns an die Hand nimmt und mit uns an einen hellen Ort fährt. Der mit uns tanzt als gäb’s kein Morgen mehr. Weil es jeder von uns Wert ist bemerkt zu werden. Weil niemand vergessen werden darf. Ja, weil das der Kern der Menschlichkeit ist: einander an die Hand zu nehmen, egal ob es in dir drin grade dunkel oder hell ist. Eine Geste des Mitgefühls kann das Leben eines anderen Menschen für einen Moment verwandeln.

Und dafür sind wir da: Um zu lieben und geliebt werden.

xoxo,

Eure Hannah

 

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